Cerebrale Bewegungsstörungen (Cerebralparesen) entstehen durch eine Schädigung des Gehirns, meist während der Schwangerschaft oder während der Geburt, seltener auch in der frühen Kindheit. Dabei unterscheidet man bilaterale Formen (auch als Diparese bzw. Tetraparese bezeichnet), bei denen beide Beine und auch Arme beeinträchtigt sind und unilaterale Formen (auch Hemiparese genannt), bei denen nur eine Körperhälfte betroffen ist.
Je nach der Gehirnregion, die geschädigt wird, entstehen unterschiedliche Bewegungsbilder:
Häufig sind auch Mischformen zu sehen.
Manche Kinder zeigen nur die Bewegungsstörungan bei sonst unauffälliger Entwicklung. Andere haben weitere Entwicklungsstörungen, wie verminderte kognitive Fähigkeiten, Sehprobleme, Epilepsien, Hydrocephalus (vermehrte Flüssigkeitsansammlungen in Hirninnenräumen) bis zu schweren Mehrfachbehinderungen.
Bei uns im Regensburger Kinderzentrum St. Martin werden Kinder mit sämtlichen, der oben dargestellten Bewegungsstörungen einschließlich der evtl. Begleiterkrankungen betreut.
Neben einer ausführlichen Diagnostik und regelmäßigen Verlaufskontrollen steht das gesamte Behandlungsspektrum, ggf. in Zusammenarbeit mit anderen spezialisierten Zentren zur Verfügung. Aufgrund unserer inzwischen jahrzehntelangen Erfahrung in der Betreuung dieser Patienten können wir am besten entscheiden, wann welche Behandlungsmaßnahmen am sinnvollsten eingesetzt werden. Im Vordergrund steht hierbei ein möglichst langfristiger funktioneller Gewinn für die Kinder, wodurch deren Bewegungsmöglichkeiten und Selbständigkeit verbessert werden. Gleichzeitig können wir im Laufe der Erkrankung auftretenden Fehlentwicklungen (z. B. Muskelverkürzungen, Fehlstellungen von Gelenken) frühzeitig entgegenwirken.
Im Folgenden wollen wir nun die wichtigsten therapeutischen Maßnahmen, wie wir sie anbieten, kurz darstellen.
Unsere langjährig erfahrenen Bobath-Therapeutinnen sind zusätzlich nach dem Ferrari-Konzept ausgebildet. Sie integrieren weitere physiotherapeutische Behandlungsmethoden in ihre Arbeit. Die therapeutische Begleitung im Rahmen des Behandlungsprozesses erfolgt einzeln oder in Kleingruppen, beispielsweise als gezieltes Handfunktionstraining (CIMT) für Kinder mit Hemiparese. Je nach Bedarf werden auch Vibrationstraining und funktionelle Elektrostimulation eingesetzt.
Gemeinsam mit erfahrenen Orthopädietechnikern erfolgt bei uns im Hause die Versorgung mit geeigneten Orthesen („Schienen"), deren Funktion wir regelmäßig überprüfen. Außerdem beraten wir die Familie bei der Hilfsmittelversorgung, wie beispielsweise mit einem Rollstuhl.
In manchen Phasen des Krankheitsverlaufs ist es sinnvoll, die erhöhte Anspannung in einzelnen Muskelgruppen („Spastizität") zu vermindern. Dies erfolgt durch Injektionen („Spritzen") in die Muskulatur, häufig unter Ultraschallkontrolle. Neben einer regelmäßig durchgeführten örtlichen Schmerzlinderung setzen wir je nach Bedarf auch weitere Schmerz- und Beruhigungsmedikamente (wie z.B. Lachgas) ein. In seltenen Fällen führen wir dies auch in der ortsnahen Kinderklinik in Narkose durch.
Manchmal ist auch der Einsatz von Medikamenten gegen Spastizität bzw. Dystonie hilfreich. Am wirksamsten ist die sogenannte intrathekale Baclofentherapie, bei der im Rahmen einer neurochirurgischen Operation im Bauchbereich eine Medikamentenpumpe eingesetzt wird, von der ein dünner Schlauch unterhalb der Haut in die Rückenmarksflüssigkeit geführt wird, worüber dann das Medikament direkt an den erwünschten Wirkort gebracht wird, was zu wesentlich weniger Nebenwirkungen führt. Die Pumpenbehälter werden in regelmäßigen Abständen in unserer Einrichtung mit dem Medikament wieder gefüllt, wir kontrollieren dabei auch die richtige Dosierung der Medikation.
In gemeinsamen Sprechstunden mit spezialisierten Kinderorthopäden hier im Regensburger Kinderzentrum St. Martin entscheiden wir zusammen mit den Familien über die Durchführung verschiedener orthopädischer Operationen, von Muskelentspannungen oder Sehnenverlängerungen über knöcherne Gelenksoperationen bis zu Eingriffen im Bereich der Wirbelsäule.
Diese vergleichsweise neue chirurgische Operationsmethode, bei der durch gezielte Durchtrennung von rückenmarksnahen Nervenfasern ebenfalls die Spastizität im Bereich der Beine gesenkt wird, setzen wir in Einzelfällen in Kooperation mit Spezialzentren in Deutschland ein.
Bei Kindern mit dystonen Bewegungsstörungen kann in einzelnen ausgewählten Fällen die genau gezielte „Einpflanzung" von Stimulationsgeräten in einen bestimmten Hirnbereich erfolgreich sein.
Von wesentlicher Bedeutung für die erfolgreiche Behandlung von Kindern mit cerebralen Bewegungsstörungen ist eine langfristige Betreuung unter Einschluss aller nötigen Berufsgruppen („interdisziplinäre Behandlung") wie dies seit langem in unserer Einrichtung durchgeführt wird. Dabei sehen wir uns auch als Begleiter und „Lotse" für die Patienten und deren Familien auf ihrem eigenen Weg bis ins Erwachsenenalter.